Wichtige Zeilen
Ein Arbeitsvertrag muss nicht immer schriftlich festgehalten werden. Arbeitnehmer haben aber zur Absicherung einige Rechte. So garantiert in Deutschland zum Beispiel das Nachweisgesetz beim Abschluss eines Arbeitsverhältnisses über die wichtigsten Arbeitsbedingungen einen schriftlichen Nachweis. Seit 2022 gelten hier umfassende, durch eine EU-Richtlinie bedingte und für die Praxis relevante Änderungen.
Der Frage der Schriftform kommt bei einem Arbeitsvertrag eine sehr wichtige Rolle zu. Wie wichtig, sieht man an der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg aus dem Frühjahr 2022 (Az. 23 Sa 1133/21). Das Gericht entschied, dass für die wirksame Befristung eines Arbeitsvertrags eine eingescannte Unterschrift nicht ausreicht. Die in dem vorliegenden Fall eingescannte Unterschrift genügte den Anforderungen an die Schriftformforderung bei befristeten Arbeitsverhältnissen nicht. Denn diese erfordert gemäß § 126 und § 126a des Bürgerlichen Gesetzbuchs entweder eine qualifizierte elektronische Signatur oder am besten eine eigenhändige Unterschrift. Diese beiden Kriterien erfüllt jedoch eine mechanisch – oder eben hier digital – vervielfältigte Unterschrift nicht.
Im Oktober 2021 entschied das Landesarbeitsgericht München (Az. 3 Sa 362/21), dass eine per WhatsApp übermittelte Kündigung nichtig ist. In dem damaligen Fall hatte der Arbeitgeber die Kündigung in Ermangelung einer postalischen Anschrift abfotografiert und dem Arbeitnehmer per WhatsApp übermittelt. Das Gericht entschied, dass diese, über den Messangerdienst digital zugestellte, außerordentliche Kündigung jedoch nicht die gesetzlichen Anforderungen der Schriftform erfüllte.
Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein von 2018 (Az. 1 Sa 23/18) zeigt daneben aber auch, der Abschluss eines Arbeitsvertrags erfordert nicht zwingend die Schriftform. Auch durch tatsächliches Handeln kann ein Arbeitsvertrag zustande kommen. Sogar, wenn wie in dem damaligen Fall ein Tarifvertrag ausdrücklich die Schriftform vorgeschrieben hat.
Bei Betrachtung dieser drei sehr unterschiedlichen Urteile kommen schnell solche Fragen auf, wie: Was gilt grundsätzlich bezüglich der Schriftformerfordernis bei Arbeitsverträgen? Was muss dabei beachtet werden und welche Folgen können Verstöße haben?
Grundsätzlich gilt Formfreiheit
Gerade an dem Fall des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein sieht man, grundsätzlich gilt in Deutschland beim Abschluss eines Arbeitsvertrags die Formfreiheit. Ein Arbeitsvertrag muss nicht zwingend in Schriftform geschlossen werden. Er kann schriftlich oder mündlich, sowohl explizit oder wie in dem Fall des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein durch tatsächliches Handeln, implizit geschlossen werden.
Lediglich bei befristeten Arbeitsverhältnissen schreibt das Teilzeit- und Befristungsgesetz (§ 14 Abs. 4 TzBfG) vor, dass eine Befristung zu ihrer Wirksamkeit beim Arbeitsvertrag der Schriftform bedarf. Wie eng hierbei in Deutschland die Grenzen sind, zeigt der eingangs genannte Fall vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg. Außerdem können auch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen die Schriftform fordern.
»Generell ist es ratsam bei der Vereinbarung des Arbeitsverhältnisses die Schriftform zu wählen.«
Generell ist es ratsam bei der Vereinbarung des Arbeitsverhältnisses die Schriftform zu wählen. Schon bislang mussten Arbeitgeber nach Beginn des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats aufgrund des Nachweisgesetztes (NachwG) die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festhalten. Diese Niederschrift war dem Arbeitnehmer unterschrieben auszuhändigen. Mit Wirkung zum 01. August 2022 hat Deutschland die am 20. Juni 2019 beschlossene EU-Richtline über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union durch eine Änderung des NachwG umgesetzt. Dass es gerade im Hinblick auf einen möglichen späteren Streitfall sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber ratsam ist die Schriftform zu wählen, dürfte klar sein. Schafft diese doch am deutlichsten Klarheit über die getroffenen Vereinbarungen.
Änderungen im Nachweisgesetz
Schon bisher hatte § 2 NachwG für einige wesentliche Arbeitsbedingungen die Schriftform vorgeschrieben. Seit dem 01. August 2022 sind nun neu hinzugekommen:
- falls eine Probezeit vereinbart wurde, deren Dauer
- in welcher Form die Auszahlung des Entgelts erfolgt
- die Möglichkeit einer Anordnung und die Voraussetzungen für Überstunden
- eine etwaige Vergütung und Auszahlung von Überstunden
- bei einer Befristung das Enddatum des Arbeitsverhältnisses
- insofern vereinbart die Möglichkeit der freien Wahl des Arbeitsortes
- Ruhepausen sowie Ruhezeiten
- falls vereinbart Details zur Arbeit auf Abruf
- die vereinbarten Details zur Schichtarbeit wie Schichtsystem, Schichtrhythmus und die Bedingungen zur Änderung der Schicht
- wenn der Versorgungsträger im Fall einer betrieblichen Altersversorgung durch den Arbeitgeber nicht zur Mitteilung verpflichtet ist, Name und Anschrift des Versorgungsträgers
- falls vorhanden, ein möglicher Anspruch auf Fortbildung durch den Arbeitgeber
- das Verfahren, welches bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses von beiden Seiten einzuhalten ist
Der letzte Punkt ist besonders wichtig. Hier muss mindestens das Erfordernis der Schriftform und die Kündigungsfrist für das jeweilige Arbeitsverhältnis sowie die Erhebungsfrist für eine Kündigungsschutzklage aufgeführt sein. Jedoch gilt, unabhängig der hier in § 2 Abs. 1 Nr. 14 NachwG aufgeführten Anforderung, bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis § 7 des Kündigungsschutzgesetzes. Dieser regelt, dass eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach der Kündigung eingereicht werden muss. Diese Frist läuft ab Zustellung der Kündigung, auch wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nicht nachgekommen ist.
Nachweisanspruch von Arbeitnehmern
Die Veränderungen im NachwG gelten nicht nur für neue Arbeitsverhältnisse. Arbeitnehmer haben auch bei schon bestehenden Arbeitsverhältnissen das Recht über die dank der EU-Richtlinie neu im NachwG hinzugekommenen Arbeitsbedingungen einen schriftlichen Nachweis verlangen zu können. Dieser Nachweis stellt jedoch keine Verpflichtung dar einen Neuvertrag zu unterzeichnen. Er kann vielmehr auch in einer anderen schriftlichen Form erfolgen. So können Arbeitgeber zum Beispiel in einem separaten Infoblatt über die geforderten Angaben informieren und sich dies bestätigen lassen.
»Arbeitnehmer haben auch bei schon bestehenden Arbeitsverhältnissen das Recht über die dank der EU-Richtlinie neu im NachwG hinzugekommenen Arbeitsbedingungen einen schriftlichen Nachweis verlangen zu können.«
Arbeitsverhältnisse schriftlich beenden
Ganz unabhängig von den oben beschriebenen Nachweispflichten ist bei Kündigungen grundsätzlich die Schriftform zu beachten. So zeigt der zu Beginn erwähnte Fall am Landesarbeitsgericht München, dass bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zwingend die Schriftform gewahrt werden muss. Hier hat auch die erwähnte Richtlinie aus Brüssel nichts geändert. Sowohl eine Kündigungserklärung als auch ein Aufhebungsvertrag, sowie im Fall von befristeten Arbeitsverträgen, die Abrede der automatischen Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses, haben schriftlich zu erfolgen.
Konsequenzen bei Verstoß
Zum Schutze des Arbeitnehmers begründet die tatsächliche Arbeitsaufnahme nahezu ausnahmslos ein Arbeitsverhältnis. Wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen – wie bei dem eingangs erwähnten Fall vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – vorschreiben, dass Arbeitsverträge schriftlich abzufassen sind, wollen sie das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses nicht verhindern. Vielmehr soll für den Arbeitnehmer die Rechtssicherheit verbessert werden. Und auch im Fall eines Verstoßes gegen die durch § 14 Abs. 4 TzBfG vorgeschriebene Schriftform ist lediglich die Befristung nicht aber der gesamte Arbeitsvertrag nichtig.
So auch bei Verstößen gegen das NachwG. Auch hier ist der Arbeitsvertrag trotzdem gültig. Jedoch kennt das Gesetz nun Sanktionierungsmaßnahmen bei Pflichtverletzungen. Jetzt droht seit 1. August 2022 bei einem Verstoß nach § 4 NachwG ein Bußgeld. Dieses kann bis zu 2000 Euro betragen. Da das Gesetz aber nur für den Arbeitgeber Pflichten kennt, kann auch nur dieser von einem möglichen Bußgeld betroffen sein.
Praktischer Hinweis
Wer nur aufgrund mündlicher Vereinbarung arbeitet, sollte jedoch nicht auf die Abfassung eines schriftlichen Arbeitsvertrages klagen. Zum einen enthält ein schriftlicher Arbeitsvertrag dann meist viele neue Regelungen, über die man sich bisher nicht geeinigt hatte. Zum anderen sollte man lieber direkt auf Lohn klagen, weil sich ohne schriftlichen Arbeitsvertrag im Prozess die Beweislast umdreht.
»…lieber direkt auf Lohn klagen, weil sich ohne schriftlichen Arbeitsvertrag im Prozess die Beweislast umdreht.«
Zur Vorbereitung einer solchen Lohnforderung macht es eher Sinn, ein Zwischenzeugnis zu verlangen, in dem die aktuelle Tätigkeit sehr genau beschrieben wird. Dies gilt gerade dann, wenn sich der Lohnanspruch aus einem Tarifvertrag ableiten lässt. Denn im ausführlichen Zwischenzeugnis stehen viel mehr Tatsachen als in einem Arbeitsvertrag, die für die Einordnung in die richtige Entgeltgruppe entscheidend sind.
Generell gilt, falls Du Fragen oder Probleme mit Deinem Arbeitsvertrag hast und Unterstützung brauchst, wende Dich vertrauensvoll an Deinen Betriebsrat.