Tarifbindung stärken, Zukunft schaffen
Die CGM hat Vorschläge für Maßnahmen auf politischer, gesellschaftlicher und gesetzgeberischer Ebene formuliert, um die Tarifbindung zu stärken.
In Deutschland ist die Tarifbindung (also die Anwendung von Tarifverträgen auf Arbeitsverhältnisse) in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen. Die Erhöhung der Tarifbindung ist ein wichtiges politisches Ziel, um faire Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und mehr Mitbestimmung sicherzustellen. Die Christliche Gewerkschaft Metall ist seit vielen Jahrzehnten aktiver Sozialpartner in der Metall- und Elektroindustrie, der stahlerzeugenden Industrie sowie vielen verschiedenen Handwerksbereichen (Elektrohandwerk, Metallhandwerk, SHK-Handwerk, u.v.a.).
Ein Nationaler Aktionsplan zur Förderung von Tarifverhandlungen, wie von der Bundesregierung angestrengt, ist daher notwendig. Gerne möchten wir hierzu verschiedene Maßnahmen auf politischer, gesellschaftlicher und gesetzgeberischer Ebene vorschlagen, um die Tarifbindung zu stärken.
a) Erleichterung der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) von Tarifverträgen
Die Bundesregierung kann Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären, sodass sie auch für nicht tarifgebundene Unternehmen gelten. Es könnten die Schwellen für AVE gesenkt oder abgeschafft werden, z. B. könnte man die Zustimmungspflicht von Arbeitgeberverbänden lockern.
b) Öffentliche Aufträge an Tarifbindung koppeln
Nur Unternehmen, die tarifgebunden sind oder tarifliche Löhne zahlen, dürfen öffentliche Aufträge erhalten. Einige Bundesländer (z. B. Berlin, Bremen, NRW) haben bereits entsprechende Vergabegesetze. Absolut kontraproduktiv ist jedoch die in diesen Vergabegesetzen teilweise vorhandene Überprüfung von Tarifverträgen nach „Erheblichkeit“.
So sollte die CGM in der Vergangenheit schon dem Senat der Stadt Bremen die Anzahl der Mitglieder im Elektrohandwerk benennen, für die Tarifarbeit geleistet wird. In dieser Branche sind lediglich ein paar dutzend bzw. wenige hundert Beschäftigte zu verzeichnen. Demnach können wir dort auch nicht über viele hundert oder gar tausende von Mitgliedern verfügen.
Trotzdem ist unser Tarifwerk das einzige gültige. Wenn in einem solchen Fall eine Überprüfung nach Erheblichkeit dazu führen würde, dass unser Tarifwerk als „unerheblich“ angesehen und damit faktisch außer Kraft gesetzt wird, so hätten wir weniger Tarifbindung und keineswegs mehr! Wir fordern daher, dass eine Erheblichkeitsprüfung nur in den Fällen erfolgt, in denen es konkurrierende Tarifwerke gibt.
In den Fällen, in denen es lediglich ein Tarifwerk gibt, hat dieses automatisch als erheblich angesehen zu werden!
c) Tariftreuegesetz auf Bundesebene
Auf Bundeseben sollte ein Bundes-Tariftreuegesetz eingesetzt werden, das Mindestbedingungen für öffentliche Vergaben setzt. Eine dieser Mindestbedingungen müsste dann die Tarifgebundenheit sein!
d) Förderprogramme an Tarifbindung knüpfen
Unternehmen sollten Fördermittel (z. B. Investitionsförderung, Innovationsförderung) nur noch dann erhalten, wenn sie tarifgebunden sind.
e) Gewerkschaften stärken und Mitgliedschaft fördern
Da eine Erhöhung der Tarifbindung eng an die Stärke der Gewerkschaften gekoppelt ist, sollte es Aufklärungskampagnen geben über die Vorteile von Tarifverträgen und Gewerkschaftsmitgliedschaft, insbesondere in Branchen mit niedriger Bindung.
f) Erleichterung der gewerkschaftlichen Organisierung
Betriebsratsgründungen müssen weiter gefördert und der Schutz vor Behinderung betrieblicher Mitbestimmung muss weiter verbessert werden.
g) Stärkung der Flächentarifverträge
Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits 2016 entschieden, dass eine Handwerksinnung die aus dem Bereich der Arbeitgeberverbände bekannte Mitgliedschaftsform einer „Mitgliedschaft ohne Tarifbindung“ (sog. OT-Mitgliedschaft) nicht durch Satzung einführen darf (Urt. v. 23.03.2016, Az. 10 C 23.14).
Diesem Urteil folgend muss auch die OT-Mitgliedschaft in allen anderen Arbeitgeberverbänden ausgeschlossen werden, da diese dem ordnungspolitischen Ziel einer Steigerung der Tarifbindung zuwiderlaufen!
h) Anreize für tarifgebundene Mitgliedschaft schaffen
Durch Imagekampagnen oder Vorteile im Rahmen von Branchenförderungen könnte die Tarifgebundene Verbandsmitgliedschaft gestärkt werden.
i) Transparenz schaffen
Ein öffentliches Tarifregister beim BMAS oder auch bei den Arbeits- und Sozialministerien der Länder würde viele Beschäftigte erst darüber informieren, dass es für ihr Beschäftigungsverhältnis einschlägige Tarifverträge gibt.
Unserer Erfahrung nach gibt es hunderttausende von Beschäftigten, die nicht wissen, dass es für sie eine tarifzuständige Gewerkschaft gibt und regelmäßige Tarifverträge ausverhandelt werden. Deren Arbeitgeber „lehnen sich an den Tarifvertrag an“. Oft werden die Beschäftigten dann aber zu niedrig eingruppiert, einzelne Elemente des Tarifwerks, wie etwa die betriebliche Altersvorsorge oder beispielsweise das Weihnachtsgeld erhalten sie regelmäßig nicht. Da mangels Information ja auch gar keine doppelte Tarifbindung gegeben ist, ist diese Praxis legitim und Ansprüche können nicht eingeklagt werden.
Alternativ könnten Beschäftigte dadurch informiert werden, dass die Arbeitgeber verpflichtet werden, einmal im Jahr schriftlich mit der Entgeltabrechnung darüber zu informieren, ob arbeitgeberseitig eine Tarifbindung existiert und ggf. über welchen Arbeitgeberverband und mit welcher Gewerkschaft.
Ein Nationaler Aktionsplan zur Förderung von Tarifverhandlungen könnte so eine moderne Tarifarbeit fördern. Die Umsetzung dieser Vorschläge in deisem Zuge trägt dazu bei, dass der Mensch als zentraler Wert betrachtet wird.
Ziel ist es, durch eine ausgewogene und zukunftsfähige Arbeitswelt die Lebensqualität zu fördern und den Wirtschaftsstandort Deutschland langfristig für heutige und kommende Generationen zu sichern.
Sebastian Scheder,
Bundesvorsitzender