Was muss ich wissen? Was muss ich beachten?
Als Folge der Corona-Pandemie geraten jetzt immer wieder Unternehmen aus verschiedenen Gründen in eine Firmeninsolvenz.
Im Folgenden wird erklärt, welche mögliche Konsequenzen in diesem Fall auf den Arbeitnehmer zukommen können.
1. MEIN ARBEITGEBER HAT INSOLVENZ ANGEMELDET
– WAS BEDEUTET DAS FÜR MICH KONKRET?
Der Arbeitgeber gilt als insolvent, wenn er nicht mehr fähig ist, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Damit überhaupt ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, muss eine drohende oder akute Zahlungsunfähigkeit vorhanden oder der Arbeitgeber überschuldet sein. Durch ein Insolvenzverfahren soll entweder die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers wiederhergestellt oder die Situation geordnet abgewickelt werden. Das Ziel eines Insolvenzverfahrens ist es, die Forderungen sämtlicher Gläubiger zumindest anteilig erfüllen zu können.
Folgende Optionen gibt es:
A.) Verwertung des gesamten noch vorhandenen Vermögens
B.) Aufstellung eines Insolvenzplans, um das Unternehmen weiterhin fortzuführen zu können und ebenfalls den Forderungen der Gläubiger erfüllen zu können.
Für den Arbeitgeber besteht bei Eröffnung einer Insolvenz eine Informationspflicht: Er ist verpflichtet, seine Mitarbeiter unverzüglich über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu informieren, sobald ihm der Beschluss des zuständigen Insolvenzgerichts vorliegt. Er muss entweder sämtliche Arbeitnehmer oder aber, bei Vorhandensein eines Betriebsrats, diesen über den Beschluss informieren.
2. UND WENN DER ARBEITGEBER NICHT
MEHR ZAHLT?
Vollständig oder teilweise ausbleibende Arbeitsentgelt ist das erste Anzeichen für eine mögliche Insolvenz des Arbeitgebers.
Man muss diesen Fall aber deutlich von Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld unterscheiden, welches ein arbeits- und sozialgesetzlich streng geregeltes Hilfsinstrument des Staates bei vorübergehendem erheblichen Arbeitsausfall eines Betriebes ist. Hier kommt es zwar ebenfalls zu vorrübergehenden Einkommensverlusten für die Mitarbeiter, diese erhalten aber weiterhin monatliche Zahlungen in Form des gekürzten Arbeitsentgelts und des Kurzarbeitergeldes. Falls der Arbeitgeber dagegen einfach nicht mehr oder nicht mehr vollständig zahlt, sollten Sie ihm unbedingt schriftlich die Unstimmigkeiten mitteilen und ihn ebenfalls per Forderungsaufstellung zur Zahlung auffordern.
Von einer Nichterbringung der vertraglich vereinarten Arbeitsleistung ist auch bei ausbleibendem Arbeitsentgelt unbedingt abzuraten! Sie riskieren dadurch, Ihren Anspruch auf die noch offene Vergütung zu verlieren. Erst bei Lohnrückständen von zwei bis drei Monaten können Sie eine Nichterbringung der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung in Betracht ziehen. Die Anwendung dieses Mittels sollte aber dem Arbeitgeber in jedem Fall vorher schriftlich mitgeteilt werden. Der Arbeitgeber könnte sich in diesem Fall auch an den Arbeitnehmer mit der Bitte einer Ratenzahlung (Stundung) wenden. Der Arbeitgeber könnte Sie sogar darum bitten, ganz oder teilweise auf den Monatslohn und/oder Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten.
Unser Rat: Lassen Sie sich auf keinen Fall auf solche Vorschläge ein! Wenn es wirtschaftlich einmal soweit gekommen ist, wird der Betrieb auch durch solche Notfall-Aktionen auf Kosten der Arbeitnehmer kaum zu retten sein. Nicht Hilfsleistungen auf Kosten der Mitarbeiter, sondern nur klar ausgearbeitete Sanierungsmaßnahmen können die Insolvenz noch abwenden. Außerdem müssen Sie bedenken, dass Sie durch Stundung und Verzicht Ihre eigenen Ansprüche sinnlos gefährden und – sollten Sie später doch arbeitslos werden – das Arbeitslosengeld wegen Ihrer Zugeständnisse geringer ausfallen wird! Sofern Sie doch auf die Bitte des Arbeitgebers eingehen, lassen Sie sich vorher vor dem Abschluss einer Vereinbarung möglichst anwaltlich beraten.
3. ANSPRUCH AUF ARBEITSENTGELT UND
INSOLVENZGELD
Woher bekommen Sie Ihr Arbeitsentgelt, wenn vom Arbeitgeber aufgrund der laufenden Insolvenz keine Zahlungen mehr zu erwarten sind? Dies hängt vom Stadium des Insolvenzverfahrens und vom Zeitraum ab, in welchem Ihre Vergütungsansprüche entstanden sind:
3.1.) Ansprüche vor dem Insolvenzverfahren
Entstammen die Forderungen aus der Zeit vor dem Insolvenzverfahren, die Sie dem Arbeitgeber dann auch angezeigt und ihn schriftlich zur Zahlung aufgefordert haben, gilt: Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sollten Sie Ihre Forderungen direkt beim Insolvenzverwalter anmelden. Von ihm erhalten Sie ein Formular, in das Sie Ihre Forderungen eintragen können und schicken es an den Insolvenzverwalter zurück. Beachten Sie, dass das Gericht für die Forderungsanmeldung eine Frist bestimmt. Hierüber werden Sie aber meist unmittelbar durch den Insolvenzverwalter informiert.
3.2.) Ansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Solange Ihr Arbeitsverhältnis weiterbesteht, erhalten Sie Ihre Vergütung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter direkt ausgezahlt. Anderenfalls fordern Sie diesen umgehend zur Zahlung auf! Er ist für die Dauer des Verfahrens dafür zuständig, den Verpflichtungen des Arbeitgebers weiter nachzukommen.
3.3.) Insolvenzgeld
Wenn Sie Forderungen aus der Zeit vor der Insolvenz beim Insolvenzverwalter anmelden, erhalten Sie meistens nicht direkt einen Ausgleich für diese Lohnrückstände. Der Verdienstausfall wird aber durch das sogenannte Insolvenzgeld aufgefangen.
Das Insolvenzgeld kann bei der Agentur für Arbeit innerhalb von zwei Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt werden. Die dafür erforderlichen Vordrucke erhalten Sie bei der örtlichen Arbeitsagentur. Zusätzlich zum Antrag auf Insolvenzgeld benötigen Sie u.a. eine Insolvenzbescheinigung und die letzten drei Gehalts- bzw. Lohnabrechnungen.
Bei Antragsbewilligung zahlt die Agentur für Arbeit das ausstehende Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate vor Insolvenzeröffnung. Gezahlt wird die Höhe des aktuellen Nettolohns einschließlich Sonderzahlungen wie etwa Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, sofern diese während der drei Monate entstanden sind.
Bis zur Bewilligung des Insolvenzgelds können Sie einen Vorschuss beantragen. In begründeten Fällen zahlt die Agentur für Arbeit 70 % des zu erwartenden Insolvenzgeldes. Sie müssen lediglich nachweisen, seit wann der Arbeitgeber sich mit der Zahlung Ihres monatlichen Arbeitsentgelts im Rückstand befindet.
3.4. Kann aufgrund der Insolvenz gekündigt werden?
Ohne einen sonstigen erheblichen Grund kann der Insolvenzverwalter Ihnen nicht kündigen. Die Insolvenz selbst ist kein Kündigungsgrund!
Eine Kündigung bei Insolvenz aus betriebsbedingten Gründen kann nur erfolgen, wenn beispielsweise wegen mangelnder Auftragslage oder der Betrieb komplett stillgelegt wird.
Wichtig: auch in der Insolvenz sind bei einer betriebsbedingten Kündigung vom Arbeitgeber bzw. vom Insolvenzverwalter die gesetzlichen Bestimmungen zum Kündigungsrecht zu beachten.
Bei den Kündigungsfristen ist Folgendes zu beachten:
• Vor der Insolvenz, also vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, gelten die üblichen gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 BGB.
• In der Insolvenz, also ab Insolvenzeröffnung, gilt eine spezielle Kündigungsfrist: Gemäß 113 Abs. 1 InsO beträgt die Frist drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist im Arbeits- oder Tarifvertrag vereinbart worden ist. Die längeren, gesetzlichen Kündigungsfristen kommen hier nicht zur Anwendung. Bei Klagen im Insolvenzverfahren gilt die übliche Dreiwochenfrist. Dabei muss die Klage drei Wochen nach Erhalt der Kündigung beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden. Ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat, sollten Sie daher frühzeitig mit einem Arbeitsrechtsexperten klären.
3.5. Was ist bei Abfindung und Aufhebungsvertrag zu beachten?
Haben Sie einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen und dabei eine Abfindung vereinbart, ist im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers jetzt fraglich, was aus Ihrer Abfindung wird. Dies hängt maßgeblich vom Zeitpunkt ab, zu dem Ihr Anspruch auf die Abfindung entstanden ist.
Abfindungsansprüche, die nach der Insolvenzeröffnung entstehen, sind sogenannte Masseverbindlichkeiten. Hierzu zählen auch Abfindungen, die in einem Kündigungsschutzprozess nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbart worden sind. Diese Forderungen werden nicht in die Insolvenztabelle aufgenommen, sondern sie sind vorher aus der Insolvenzmasse auszugleichen.
Die Insolvenzmasse ist das noch vorhandene Vermögen bei Insolvenzeröffnung. Der Insolvenzverwalter muss also diese Abfindungen grundsätzlich in voller Höhe auszahlen und kann sogar unmittelbar dafür verklagt werden. Eine Ausnahme gibt es jedoch: dies gilt nur bei Masseunzulänglichkeit nicht, wenn also die vorhandene Masse nur noch die Verfahrenskosten decken würde.
Ansprüche auf eine Abfindung, welche vor der Insolvenz des Arbeitgebers entstanden sind und zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht ausgezahlt worden sind, sind meist verloren. Hierunter fallen auch Abfindungen aus einem Sozialplan.
Um die Abfindung rechtzeitig zu sichern, gibt es verschiedene Vorgehensweisen:
• frühe Auszahlung nach Abschluss des Aufhebungsvertrags
• Absicherung durch Bankbürgschaft des Arbeitgebers
• Vereinbarung einer Ausstiegsklausel, wonach Sie jederzeit das Arbeitsverhältnis beenden und sich die Abfindung umgehend auszahlen lassen können
• Rücktrittsrecht vom Aufhebungsvertrag, im Fall einer nicht fristgerechten Auszahlung der Abfindung
3.6. Betriebsübergang bei Insolvenz
Wenn ein Betrieb oder ein Betriebsteil von einem Käufer erworben wird, spricht man von einem Betriebsübergang.
Für eine solche Betriebsübernahme gilt gemäß § 613a BGB, dass alle Arbeitsverhältnisse auf den Betriebserwerber übergehen.
Dies gilt auch im Falle einer Insolvenz. Der Käufer oder Insolvenzverwalter tritt dann in alle Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein.
Wichtige Unterschiede gilt es zu beachten:
• Kündigungserleichterungen, die für den Insolvenzverwalter gelten, finden gegebenenfalls auch für den Käufer Anwendung – die Haftungsregeln des § 613a BGB gelten nur eingeschränkt.
• Der Käufer haftet nicht für Abfindungsansprüche aus einem vor oder auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossenen Sozialplans.
• Außerdem haftet der Käufer nur eingeschränkt für Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung.
• Die Haftung für offene Urlaubsansprüche und Guthaben aus Arbeitszeitkonten bleiben bestehen.
3.7. Und was gilt für Ihre sonstigen Rechte aus dem Arbeitsverhältnis?
Urlaubsansprüche:
Alle Ansprüche auf Urlaub und Urlaubsentgelt bleiben vor und während des Insolvenzverfahrens bestehen. Wird jedoch bereits genehmigten Urlaub wegen geänderter betrieblicher Abläufe gestrichen, können Ersatzansprüche wegen der entstehenden Aufwendungen geltend gemacht werden.
Ansprüche auf betriebliche Altersvorsorge:
Diese bleiben auch im Fall der Arbeitgeberinsolvenz bestehen und können gegenüber dem Träger der Insolvenzversicherung geltend gemacht werden. Der Träger der Insolvenzversicherung ist der Pensions-Sicherungs-Verein. Die entsprechenden Ansprüche, die gegenüber dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Sicherungsfalls bestanden, gehen auf den Träger über.
Mutterschutz und Elternzeit:
Wird Ihr Arbeitgeber während der Elternzeit insolvent, besteht das Beschäftigungsverhältnis unverändert weiter. Wird der Betrieb von einem Käuferübernommen oder wird der Betrieb saniert, so lebt das Arbeitsverhältnis nach Ende der Elternzeit ganz normal wieder auf. Dieser besondere Kündigungsschutz kann aber bei einer Insolvenz durch die für den Arbeitsschutz zuständige oberste Landesbehörde aufgehoben werden. Dasselbe gilt für den Kündigungsschutz für Schwangere: Eine Kündigung ist möglich, wenn die im jeweiligen Bundesland zuständige Behörde (z.B. die Bezirksregierung, das Gewerbeaufsichtsamt oder das Amt für Arbeitsschutz) dem Antrag auf Kündigung unmittelbar zustimmt.
Sozialversicherungsbeiträge:
Führt der Arbeitgeber wegen Geldknappheit Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr ab, stellt dies eine Straftat gemäß 266a StGB dar. Sie sind jedoch automatisch weiter krankenversichert, da allein der Arbeitgeber für die vollen Kassenbeiträge haftet. Auch freiwillig versicherte Mitglieder verlieren dadurch nicht deren Versicherungsschutz.